Mittwoch, Dezember 29, 2004

Glauben heißt, nichts wissen

Haben Sie diesen Spruch schonmal gehört? Da teilt man einem Menschen gerade mit, dass man an einen Gott glaubt, einen Schöpfer, der diese gesamte Welt mit all ihren Lebewesen geschaffen hat, und als Reaktion darauf erhält man lediglich ein schnippisches "Glauben heißt, nichts wissen". Pah, das sitzt. Wie will man da noch weiter reden?
Aber stimmt diese Aussage denn überhaupt? Schauen wir einmal genauer hin.
Woher weiß ich denn, was ich weiß? Und wie definiert man überhaupt "wissen". In diesem Zusammenhang bedeutet "wissen" doch, dass man einen Beweis dafür hat, dass sich etwas tatsächlich so verhält, wie man es gerade gesagt hat. "Glaube" wird in diesem Zusammenhang oft mit "Vermuten" gleich gesetzt. Klar, wer nichts beweisen kann, dem bleibt nichts anderes übrig als nur zu "vermuten".
Aber kann man denn - wenn man es ganz genau nimmt - überhaupt irgend etwas auf dieser Welt beweisen? Für Menschen, die sich den Film "Matrix" angeschaut haben mag die folgende Überlegung vertraut sein: streng betrachtet kann ich mich nicht einmal darauf verlassen, dass die Dinge tatsächlich vorhanden sind, die ich sehe! Denn wie funktioniert das denn? Unser Gehirn sitzt im Dunkeln in unserem Kopf. Um Eindrücke von der Aussenwelt zu erhalten hat es Sensoren angeschlossen, nämlich unsere sogenannten Sinnesorgane. Die Augen nehmen also Lichtsignale war und leiten diese Impulse an unser Gehirn weiter. Unser Gehirn wertet diese Impulse aus und formt daraus ein räumliches Bild dessen, was um uns ist. Diesen Vorgang nennen wir "sehen". Theoretisch wäre es allerdings möglich, sich direkt an die Signalleiter zu klemmen und (ohne Augen) dem Gehirn irgend welche Impulse zu schicken. Das mag brutal klingen, hat aber durchaus auch sinnvolle Anwendungen, wenn z.B. jemand nur deshalb nicht sehen kann, weil seine Augen einen Defekt haben. Die Wissenschaft arbeitet zur Zeit an Geräten, die die Umgebung in für das Gehirn verarbeitbare Signale umwandeln können!
Wenn das richtig gemacht wird, merkt das Gehirn nicht mal, dass die Informationen nicht vom Auge kommen. Können wir also beweisen, dass die Dinge die wir sehen auch tatsächlich existieren? Klar, mag der eine oder die andere denken. Ich kann die Dinge ja ertasten, riechen, etc. Aber auch das sind lediglich Impulse, die von den anderen Sinnesorganen wie Haut, Nase, etc. an das Gehirn gemeldet werden. Würde man also alle Sinnesorgane simulieren, könnte es sein, dass man in einer Art Wanne liegt und die komplette Welt wie wir sie kennen lediglich dem Gehirn vorgegaukelt wird (siehe "Matrix").
Normalerweise zieht man als Mensch hier einen Schlussstrich. Man definiert: die Welt existiert und was ich wahrnehme existiert. Und das ist auch eine sehr sinnvolle Annahme, will man nicht verückt werden.
Daher traue ich mich auch zu sagen: Ich sehe eine Wand, also existiert diese Wand auch. Ich spüre den Stift in meiner Hand, also existiert dieser Stift auch.
Nur - und damit schließt sich dann der Kreis und ich komme zur Einstiegsfrage zurück - wer sagt denn, dass fühlen nicht auch ein legitimer Sinneseindruck ist?
Für mich ordnet sich "fühlen" perfekt in die Reihe der anderen Sinneseindrücke ein: sehen, hören, riechen, schmecken, spüren - und fühlen.
Daher heißt es für mich: ich fühle, dass es Gott gibt, also gibt es Gott auch.
Ich glaube, dass auf der Strasse ein Auto fährt, weil ich es sehe.
Ich glaube, dass der Wind weht, weil ich ihn auf meiner Haut spüre.
Ich glaube, dass es Gott gibt, weil ich es in meinem Herzen fühle!
Nicht zuletzt deshalb spricht man in der deutschen Sprache auch von Wahrnehmung.
Ich nehme es für WAHR weil meine Sinnesorgane es mir so melden - ohne es beweisen zu können.